Jin Qi – Die „Innere Kraft“

Einstieg in die Energiearbeit – Qi Gong aus der Sicht des Wing Chun

Die Aktivierung des Qi – spirituelles Bauchtraining statt unnötiges Muskeltraining!

Jeder, der sich irgendwann und irgendwie einmal mit der östlichen Lebensphilosophie oder den östlichen Bewegungs- und Kampfkünsten wie Tai Ch´i, Yoga, Karate etc. beschäftigt hat, kennt den Begriff des  „Qi“ – oder „Ch´i“ („tschii“ ausgesprochen) oder „Ki“, wie es im Japanischen heißt.

In der alten Yoga-Philosophie ist Prana „universelle Energie“ des Kosmos, die alles durchdringt. Die chinesische Philosophie hat diese Denkweise in Ihrer Kultur übernommen und auf ihre Art weiterentwickelt. Das „Qi“ ist das wesentlichste Element der chinesischen Weisheitslehre, in Japan bekannt als „Ki“, in der westlichen Philosophie der alten Griechen „Pneuma“, später im westlichen Abendland auch „Od“, manchmal auch „Orgon“ genannt.

Allen liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch die Welt im Kleinen widerspiegelt („Makrokosmos“ gleich „Mikrokosmos“, „wie oben, so unten“ oder auch „wie im Himmel, so auf Erden…“)

Die Yin-Yang-Lehre ist historisch gesehen sehr alt und geht zurück in Zeiten, in denen der Mensch vor allem noch magische Vorstellungen davon hatte, mit dem Rhythmus der Natur zu leben, durch Opfergaben die verschiedenen Götter zu besänftigen und durch Rituale und Orakel den Lauf der möglichst günstig zu beeinflussen um möglichem Unglück zu entgehen und ein möglichst ruhiges und gelungenes Leben zu führen.

Der Mensch hatte in alter Zeit die Aufgabe, mithilfe von Orakeln den „Willen der Götter“ herauszufinden oder astrologische Konstellationen zu berechnen, oder Schamanen und Weise zu befragen, um die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. um den Lauf des Schicksals günstig zu beeinflussen.

Im chinesischen Raum – bevor es das eigentliche China gab – entstand die Yin-Yang-Lehre. Diese ist zuerst etwa 1000 vor Christus in den ältesten Klassikern Chinas schriftlich erwähnt worden. Die Chinesische Medizin kennt im Körper des Menschen mehrere Arten von Qi, von denen etwa eine unsere vererbte Konstitution bestimmt, eine unsere Abwehrkräfte, eine unsere Lebensenergie, die bei entsprechend schlechter Ernährung und Lebensweise sich schnell erschöpft und wir dementsprechend eine kürzere Lebenserwartung haben.

In der Heilkunst ist Qi Gong – „die Übung des Qi“ – die aktive Prävention für Gesundheit. Jahrtausendealte Darstellungen in den ältesten Überlieferungen der chinesischen Kultur zeigen bereits Übungen für die Gesunderhaltung des Menschen. Das älteste Buch der chinesischen Medizin, das Huangdi Neijing – Das Buch des Gelben Kaisers über die Innere Medizin“ soll der Legende nach bereits um 2600 v. Chr. geschrieben worden sein. Tatsächlich ist es wohl um 400 – 300 v. Chr. entstanden. Geistige Methoden wie „Reiki“, in denen Energie für die Heilung vom Behandler auf einen Patienten übertragen werden, ist die passive Seite der Gesunderhaltung.

Die Lebensphilosophien und die Religionen wollen ebenfalls die Frage beantworten, wie man bestmöglich mit sich und der Welt und den unvorhersehbaren Ereignissen in der Zukunft in Harmonie zu leben.

Ziel jeglicher Form des Trainings und der Meditation war die Einheit von Körper und Geist. Diese Einheit mit allem, was ist, ist das Ziel jeglicher spirituellen Übung.  Die chinesische Tradition kennt dafür den Begriff „Yangshen“ – die Pflege des Lebens!

Alle Formen der körperlichen und geistigen Übungstraditionen des Ostens suchen mit den unterschiedlichsten Methoden die Kultivierung des Qi im Körper durch physisches Training wie Atemübungen und Kampfkunst, oder durch die Schulung des Geistes in den verschiedensten Formen von Meditation.

Alle Methoden sind wie die vielen Zweige auf einem Baum, die jedoch nur von einem Stamm getragen werden. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende haben sich viele neue Philosophien, Traditionen, Künste und Weltanschauungen gebildet, die oft die Verbindung zum Kern des Menschen verloren haben und die Methode selbst als das „Heilmittel“ verkaufen.

Zum Einstieg sich in der Menge unterschiedlichster Methoden zurecht zu finden, ist zeitaufwändig und nicht immer leicht.  Was in diesem großen „Markt der Möglichkeiten“ immer wieder vergessen wird; das große Geheimnis all dieser unterschiedlichsten Formen ist folgendes:

Es ist zu einfach: Der Mensch hat nur EIN LEBEN, EINEN KÖRPER, EINEN GEIST und nur EINE GANZHEITLICHE KRAFT. Diese Kraft ist „QI“.

Warum sich also nicht direkt den Zugang dazu verschaffen, und dies ohne Umwege? Ohne Mystik, ohne Dogma, ohne „Zauberei“, „ohne Gott“, „ohne Vodoo“,  sondern nur durch die eigene unmittelbare Erfahrung!

Diese Kraft zu entdecken und sich praktisch anzueignen ist das Ziel des Trainings und das Ziel für eine höhere Lebensqualität. Die richtige und funktionelle Bewegung ist die Verbindung zum Qi. 

Eine solche Bewegung ist entspannt und nicht gestört durch unnötige Muskelspannungen oder schlecht koordinierte Bewegungen. Die chinesische Sprache unterscheidet zwei wesentliche Begriffe: „Li“ bedeutet „Muskelkraft“ und „Jin“ ist die „Innere Kraft“, die entsteht, wenn man sein „Qi“ aktiviert hat – dies bedeutet: dass Körper und Geist sich in der richtigen und bestmöglichen Art bewegen.

Eine gute Kampfkunst ist also ein wesentliches Element von „Yangshen“ – der Pflege des Lebens, einfach deswegen, weil man im Training einer Kampfkunst die korrekte Koordination der eigenen Bewegungen lernt und lernt, mit der Kraft des Trainingspartners oder „Gegners“ umzugehen.

Der Trainingspartner ist dann der Spiegel dafür, wie weit man die eigene Fähigkeit bis dahin entwickelt hat. Die effizienteste und energieschonenste Art der Bewegung ist die „entspannte Bewegung“, die nicht mit „schlaff“ zu verwechseln ist. Die entspannte Bewegung, in der scheinbar alles zu Gelingen scheint, kennen wir als „Flow“.

Die Fähigkeit sich zu verteidigen, den Geist zu schulen und die Gesundheit zu erhalten sind die wesentlichen Elemente des „Wing Chun“. Wenn diese Aspekte in einer Methode zusammen kommen, dann kann man von einer ganzheitlichen Kampfkunst sprechen.

Unterschiedliche Qualität von „QI“

„Qi“ hat einen qualitativen Aspekt, es gibt sog. „reine Energie“ und „tückische Energie. „Reine Energie“ wird „Jin Qi“ genannt, „Tückische Energie“ wird „Chuo Qi“ genannt. „Jin Qi“ wird erreicht, wenn die Ausrichtung des Körpers optimal ist und alle Teile des Körpers gut miteinander koordiniert sind. Dann entsteht „Jin Qi“ – die „Innere Kraft“. 

„Tückische Energie“ ist schlecht organisierte Bewegung, in der die verfügbare Kraft des Körpers nicht richtig genutzt werden kann. Bewegung ist nicht gut koordiniert und gegen einen Druck eines Trainingspartners kann eine Technik nicht richtig angewendet werden, entweder ist sie dann zu anstrengend oder funktioniert nicht gegen die Kraft des Anderen.

„Jin Qi“ist also eine Beschreibung für das bestmögliche Funktionieren des menschlichen Körpers in einer fließenden Bewegung. Jede unnötige und belastende Bewegung ist eine Vergeudung von Lebensenergie! „Jin Qi“ ist die Verbindung von mentaler Kraft und optimaler Kraft des Körpers in Bewegung!

Der qualitative Aspekt von „Kraft“ und „Qi“ wird oft nicht unterrichtet

Viele Kampfkünste und Kampfsportarten kennen diesen Unterschied  nicht und in vielen Selbstverteidigungskursen werden von daher immer noch zu häufig Techniken unterrichtet, die für kleinere und schwächere Personen im Ernstfall nicht funktionieren!

Dies ist der größte Schwachpunkt: Menschen, die eine Selbstverteidigung erlernen wollen, um etwas für sich – ihre persönliche körperliche und emotionale Sicherheit – tun wollen, lernen eine uneffiziente Bewegungsweise und fühlen sich oft in einer „trügerischen Sicherheit“!

Das moderne westliche Denken kultiviert mit seiner rein mechanischen Vorstellung, man müsse immer fleißig trainieren, Muskeln stählen um fit und leistungsfähig zu sein. Dies erfordert jedoch einen höheren Zeitaufwand und ein höheres Maß an „Disziplin“ und „Härte“ gegen sich selbst.  Frauen, Mädchen, Jugendliche und ältere Menschen, die evtl. eher einer Tätlichkeit zum Opfer fallen, haben immer den Nachteil, dass diese Form von Kraft limitiert ist…

Diese Denkweise entspricht nicht der Philosophie des Dao, dass das „Schwache das Starke überwindet“. Das „Handeln durch Nicht-Handeln“ entspricht dem Flow, in der Philosophie des Dao wird es „Wu Wei“ genannt. Dies gelingt jedoch nur, wenn man mit den Prinzipien der „Inneren Kraft“ vertraut ist.

„Qi“ in der Kampfkunst

In den Kampfkünsten spielt vor allem der phyische Aspekt von „Qi“ eine Rolle, in Form von kinetischer Energie und in Form von Schlägen auf vitale Punkte des Körpers, um einen Angreifer möglichst schnell ausschalten zu können und vitale Nervenfunktionen zu schwächen und ihn so möglichst schnell ausschalten zu können. Ebenso geht es darum, selbst in der Lage zu sein, körperliche Angriffe auf die eigene Person abzuwehren und so zu verhindern, dass das eigene „Qi“ geschwächt wird und damit das Leben verkürzt oder vorzeitig beendet wird.

Die schnellste und einfachste Methode zum „Qi“

Die Aktivierung des Qi im Unterbauch schafft das Verwurzeltsein in dereigenen körperlich-geistigen Mitte. Dies ist die Grundlage für spontan richtiges und souveränes Verhalten!  Die meisten Menschen wissen aber nicht, wie das geht!

Hierfür gibt es eine alte Methode, die der „Eine Punkt“ oder der „Eine Atem“ genannt wird.  Der „Eine Punkt“ ist der Zugang zur „Mitte des Menschen“!

Diese Methode ist vielen nicht bekannt und oftmals ist Qi Gong-Training dann nichts weiter als eine andere Form von Gymnastik oder Entspannungstraining. Es werden „Atemübungen“ gemacht für die Entspannung, aber das ist noch nicht die „Innere Mitte“. 

Grundprinzipien der Aktivierung des Qi

  1. Der „Eine Punkt“ – Den Punkt der Kraftquelle auffinden und im Körper lokalisieren. 

  2. Qi fließt – die Intention lenkt die Energie im Körper. Einfache Übungen für die Wirkung der Gedanken auf den Körper.

  3. „Song“ – Wohlspannung (Eutonie)!  – Die Folge der richtigen Fokussierung ist „Wohlspannung“ im Körper! 

  4. „Schwere“ –  körperliches Merkmal für richtiges „Verzwurzeln“ in der Erde!


Der Nutzen einer alten Kampfkunst  in modernen Zeiten

In der Kampfkunst kommt es mehr als in allen anderen „Sportarten“ zu einer vertieften Auseinandersetzung mit psychischen und emotionalen Faktoren wie Angst, Panik, Unsicherheit und Versagen hinzu.

In alten Zeiten, in denen jeder Kampf um Leben oder Tod ging und ein Menschenleben nicht viel zählte, war jede Form von Zögern gleichbedeutend mit „Sterben!“ Die Fähigkeit zu Kämpfen und die Bereitschaft sich oder auch andere zu verteidigen hat mit Selbstsicherheit und Freiheit von jeglichen Zweifeln zu tun. Dies setzt voraus, dass man den Umgang mit seinem eigenen Körper, dessen inneres Potential von Qi im Unterschied zu limitierter Muskelkraft kennt und weiß, wie man sie richtig einsetzt. 

Das ist der Aspekt von „Selbsterkenntnis“ und „Selbstbewußtsein“.

Entwickelt man seine Kampfkunst weiter, wird die Bewegung mit der Kraft des Gegners immer müheloser und man ruht in seiner eigene Mitte, man lässt sich von den äußeren Umständen nicht weiter aus der Ruhe und Fassung bringen.

Dies führt zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit und einer höheren Widerstandsfähigkeit und Ausdauer bei der Verfolgung der eigenen Projekte. Dies ist der Schlüssel nicht nur zu einer gut funktionierenden Selbstverteidigung und innerer Selbstsicherheit, sondern auch zu einem harmonischen Leben im stressigen Alltag in modernen Zeiten. 

Diese Form der Körperarbeit ist eine Form der Auseinandersetzung mit sich selbst. Sie verändert einen Menschen nachhaltig durch das eigene Training! Damit habe ich es selbst in die Hand genommen. Aber: man muss es  auch wollen! Das eigene Leben selbst in jedem Moment: Das ist das Wesentliche, sich selbst akzeptieren im Hier und Jetzt mit all den momentan vorhandenen Sorgen, Nöten und Ängsten – und genau diese anzgehen, zu überwinden oder aufzulösen!

Wing Chun 

Wing Chun ist eine chinesische Kampfkunst, die einer alten Legende nach, etwa 400 Jahre alt ist. „Wing Chun“ bedeutet wörtlich übersetzt „Schöner Frühling“ und ist dieser Legende nach der Name einer jungen Frau, nach der diese Kampfkunst benannt wurde. Wing Chun bedeutet aber in einer anderen Übersetzung auch „Ewiger Frühling“, was ein Hinweis darauf ist, dass die Pflege des Lebens, das „Yangshen“ von Anfang einen wesentliches Element in dieser Kampfkunst war und ist.

Wing Chun ist eine Kampfkunst, in der die Prinzipien der „Inneren Kraft“ immer noch enthalten sind und traditionell auch so unterrichtet werden. Die überlieferten Prinzipien sprechen davon, dass man das Qi im Unterbauch sammelt und von dort in alle Teile des Körpers verteilt. Dieses ist die Grundlage der Energiearbeit, die ich in R(h)eine-Kampfkunst unterrichte und der „Eine Punkt“ ist die Methode, um den „Schalter umzulegen“. 

Als praktische Kampfkunst funktioniert Wing Chun auf die gleiche Art und Weise, Selbstverteidigung ist also die prakitsche Seite der Energiearbeit.

Wing Chun basiert auf der Fähigkeit der sog. „Talking Hands“, also der Wahrnehmung der Absicht und Bewegung der Trainingspartnerin oder Trainingspartners, um intuitiv den Bewegungen zu folgen, zu kontrollieren und alle möglichen Arten von Treffern zu vermeiden.

Wing Chun entwickelt die Fähigkeit, den inneren geistigen Fokus im alltäglichen äußeren Leben aufrecht zu erhalten, entspannt zu bleiben während einer schnellen und intuitiven Reaktion auf einen Angreifer, man lernt aktiv Stress zu beherrschen und unter Druck dennoch entspannt und intuitiv richtig zu reagieren.

Wing Chun als aktive Form der Selbstverteidigung ist also gleichzeitig „Geistesschulung“ ein „Psychotraining“, eine geistig-emotionale Auseinandersetzung mit sich selbst.

Ein Weg, sich durch die Trainingspartnerin und/ oder Trainingspartner selbst besser kennen zu lernen und die eigenen Fähigkeiten weiter zu entwickeln,  stetig weiter zu lernen, zu sich und seinem Kern vorzudringen und dadurch „standhaft“ und „mühelos“ zu werden. 

In einer  praktischen Kampfkunst ist dies der wertvollste Aspekt: Wenn mich jemand angreift, kann ich nicht über mich und meine Zweifel und alles andere nachdenken. Wenn ich meine Kampfkunst also anwenden kann, weiß ich, wie ich mit Zweifeln und allen anderen Gedanken über „hätte“, „sollen“, „könnte“ und „müsste“ umgehen kann.

Dies nennt man „Gong Fu“ (Kung Fu), die beständige Übung.

Wing Chun (Kung Fu) als Kampfkunst ist also gleichzeitig auf körperlicher Ebene praktische Selbstverteidigung und auf mentaler Ebene reales  „Psychotraining“, eine geistig-emotionale Auseinandersetzung mit sich selbst. 

Ein Weg, sich mithilfe von Trainingspartnerin und/ oder Trainingspartner selbst besser kennen zu lernen und die eigenen Fähigkeiten weiter zu entwickeln,  stetig weiter zu lernen, zu sich und seinem Kern vorzudringen und dadurch „standhaft“, „mühelos“ und „flexibel“ und dennoch stark wie der Bambus zu werden.